Rollenspiel - Existiert das eigentlich noch? Statement einer langjährigen RP-Spielerin zur aktuellen RP-Szene...

zitt

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Macht Euch RP eigentlich noch Spaß?

Wenn man sich heute durch die deutschen Rollenspiel-Kanäle klickt – egal ob auf Twitch, Kick, YouTube oder sonst wo – dann ist das manchmal wie ein Déjà-vu aus der schlimmsten Ecke des Internets. Übertriebene Charaktere, fragwürdige Humorversuche, schlechte Anmach-Sprüche und eine Prise Fremdscham, die einem direkt ins Gesicht schlägt.

Man könnte fast meinen, das alles wäre ein nie endender Sketch aus „Warum liegt hier Stroh?“ – nur ohne Pointe.

Ich frage mich ernsthaft: Wann ist das alles so abgestürzt?

Was früher Leidenschaft war, ist heute Content.
Was früher Drama war, ist heute Algorithmus.

Und was früher Weltenbau war, ist heute: Ego-Bau.


Aus einer liebevollen Nische, in der man gemeinsam Geschichten erzählte, wurde im Laufe der Jahre ein Massenprodukt – und viele Zuschauer wären vielleicht besser einfach Zuschauer geblieben.

Die Leidenschaft, die man teilte, die Intrigen, die sich über Monate spannten, die Nächte, in denen man mit offenem Mund vor dem Bildschirm saß, weil man endlich herausgefunden hatte, wer wirklich hinter allem steckte – das war echtes Storytelling.

Heute? Heute zählt nur noch, wie viel Action man in zwei Stunden unterbringen kann, damit man viral geht oder noch ein paar Subs abgreift. Und natürlich, wie viele Vulgärbegriffe man in einen Satz pressen kann, während man seine Fetische ausrollt.

Für diejenigen, die mit dem Tempo nicht mithalten oder nicht zur Content-Creator-Bubble gehören bleibt oft nur die Rolle des NPCs: brav Tasten drücken, Essen ausgeben, Patienten mit „E“ heilen – tausendmal, emotionslos, austauschbar.

Früher – ja, ich weiß, das klingt nach Boomer-Nostalgie – da gab’s wenigstens Geschichten. Heute wollen alle im Finale starten, ohne auch nur ein bisschen Charaktertiefe zu haben. Und wenn’s dann nach zwei Stunden öde wird oder die Spieler ausbleiben, ist natürlich der „Server schuld“. Geschichten entwickeln, "Geld verdienen" (ja auch das gehört für den natürlichen Wachstum eines Servers dazu), Welten entdecken, Figuren wachsen sehen, Tragödien erleben – all das scheint keinen Wert mehr zu haben.

Manchmal wirkt’s, als sei das Rollenspiel nur noch eine Kulisse für Selbstdarstellung.

Wachstum, Welt, Konsequenz? Fehlanzeige.
Stattdessen: laut, grell, leer.

Versteht mich nicht falsch – Unterhaltung darf sein. Aber was da oft läuft, ist keine Unterhaltung, das ist ein digitales Ego-Massaker. Es wirkt, als ginge es gar nicht mehr ums Spielen, sondern nur noch ums „Gesehen werden“.

Impro-Comedy mit Kamera, Rollenspiel nur als Deko.

Ich vermisse das Gefühl, in eine Welt einzutauchen. Das gemeinsame Erzählen. Das Staunen.

Ich vermisse dieses Gefühl, wirklich weg zu sein. In einer anderen Welt. Mit Menschen, die erzählen wollten, nicht performen mussten. Stattdessen sehe ich Clickbait-Titel, pushende Outfits für den Algorithmus und hitzige Diskussionen darüber, ob man „Hurensohn“ jetzt noch sagen darf, während man gleichzeitig dem anderen den moralischen Kompass vorhalten will.

Vielleicht bin ich altmodisch. Vielleicht auch einfach müde. Aber das Hobby ist auf dem Holzweg.

Und manchmal denke ich: Wenn ihr schon keine Geschichten mehr erzählen wollt, dann geht doch einfach raus, fasst ein bisschen Gras an, schaut einen guten Film – und fragt euch, warum ihr überhaupt angefangen habt, Rollenspiel zu spielen.

Schreibt eure Meinung in die Kommentare und tretet unserem Discord bei.

Kommentare (2)

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rubyrobson

So aus dem Herzen geschrieben.
Lustigerweise war ich dabei, einen selbigen Artikel zu verfassen. :-)

Aber tausend dank für diesen Artikel.

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b4l

Wenn Ihr Lust habt, könnt Ihr ja gerne mal Text-RP ausprobieren. Auch wenn das ganz sicher für die Meisten hier, genauso Boomer-Nostalgie ist haha